(KR Karl Ramharter)
Den höchsten Wert aller
Kunstgegenstände in Stift Ardagger hat das Glasfenster der Kirchenpatronin hinter dem
Hochaltar. Da sich der Stifter selbst mit der Kirche darstellen ließ und aus der
Umschrift »Hac pro structura peccata Deus mea cura Heinricus tum prepositus«. (Für
diesen Bau heile, Herr, meine Sünden, Heinrich, Domprobst), wissen wir, daß es aus der
Zeit stammt, als Heinrich I. Propst war; 1225-1236. Das Fenster ist 3,80 m hoch und 1 m
breit. Außer dem Stifterbild unten in der Mitte befinden sich in ihm 14 runde Medaillons
mit einem Durchmesser von 41 cm. Ursprünglich waren es sicher 15. Im obersten Rundbogen
ging ein Medaillon verloren. Eventuell bei der Barockisierung, da man zwischen Hochaltar
und Fenster eine barocke Umkleidung machte, um das fehlende Medaillon zu verdecken.
Während des zweiten Weltkrieges sollte das Fenster ausgebaut und sichergestellt werden.
Da das Glas mit Zement in den steineren Rahmen eingemauert ist, wäre das Fenster beim
Ausbau beschädigt worden. Deshalb wurde die barocke Umrahmung entfernt und das Fenster
innen und außen durch eine dicke Mauer geschützt. Zum neunhundertjährigen Jubiläum im
Jahre 1949 wurde das Fenster freigelegt: und das fehlende Medaillon sinnvoll ergänzt.
Eigenartig am Bilde ist die Harmonie der wenigen Farben. Der Maler kannte die Perspektive
nicht. Die Grasbüschel und Schafe stehen übereinander. Leuchtet vormittags die Sonne
durch das Fenster, sind die Schatten an der Mauer nur schwarz-weiß. Die Farben werden
absorbiert, was es bei neuerem Glas nicht gibt. Das Stifterbild, 42 cm hoch und 31,5 cm
breit, zeigt Propst Heinrich kniend mit dem Modell der Kirche. Auf den ersten Blick
meint man, das ist nicht die Kirche. Sie hat zwei Türme, und der First ist gleich hoch. Heute hat
die Kirche nur einen Turm, und das Schiff ist wesentlich niedriger. 1529 wurde die Kirche
von den Türken geplündert und niedergebrannt. Bei diesem Brand stürzte das Gewölbe des
Schiffes ein. Als Propst Grübler 40 Jahre später die Kirche wiederaufbauen ließ, wurde
sie nicht mehr so hoch wie früher gebaut. Über dem Gewölbe sieht man gotische Teile der
alten Fenster. Heinrich hatte zwei Türme vorgesehen, wahrscheinlich wurde nur einer
erbaut. Er hatte die Höhe der Kirche. Im 18.Jahrhundert wurde er erhöht. Drei Jahrzehnte
später, 1804, mußte er abgetragen werden, weil die Fundamente nachgaben, und wurde in
der heutigen Form neu erbaut.
Nach dem apogryphen Märtyrer-Akten war Margarita Tochter eines heidnischen Priesters in
Antlochlen in Pisidien. Durch ihre Erzieherin lernte sie das Christentum kennen. Wegen
ihres Glaubens wurde sie vom Vater verstoßen und mußte sich als Hirtin ihr Brot
verdienen. Der Starthalter Olibris verliebte sich in sie. Weil sie durch eine Heirat ihren
Glauben gefährdet sah, lehnte sie ab. Sie starb unter Diokletian 305-307 als Märtyrerin
für ihren Glauben und ihre Jungfräulichkeit.
Das 1. Medaillon zeigt Margarita mit Schafen auf der Weide. Ein Junger Mann mit Toga
prätexta, die Kleidung der vornehmen Römer, wirbt um ihre Hand. Die Umschrift lautet
»Presidis ellsa mens est a virgine visa = des Präfekten Sinn ist verwirrt, seitdem er
die Jungfrau gesehen«. Aus der Haltung Margaritas ist ihre Ablehnung der Liebeswerbung
erkennbar.
Auf dem 2. Bilde sehen wir, wie Margarita mit Gewalt auf einem Pferde festgehalten wird,
während ein Zweiter ihr unter dem Kinn streichelt (Goderl kratzen) als Zeichen der Liebe.
Die Umschrift sagt- »Gaudet Quod capta sit XPI legibus apta = sie freut sich, weil sie
gefangen wurde um der Gebote Christi willen«.
Nun versuchen, wie wir im 3. Bilde sehen, zwei Philosophen Margarita von ihrer
Glaubensüberzeugung abzubringen. Margarita weist die Argumente zurück. Die Umschrift:
»Dogmata falsa ferunt hanc, qui perversere querut = falsche Glaubenssätze bringen die
vor, die sie umzustimmen versuchen«. Da Margarita sich durch Worte nicht von der Treue zu
Christus abbringen läßt, erstattet Olibris die Anzeige.
Im 4. Medaillon steht auf einer Säule in der Mitte die Büste des Kaisers. Der Richter,
auf dem Richterstuhle sitzend, fordert von der Angeklagten, vor dem Kaiserbild Weihrauch
zu streuen und dadurch den Kaiser als Gott zu verehren, was praktisch den Abfall von
Christus bedeutet hätte. Margarita weigert sich. Die Umschrift: "Virgo virum sacra
contempsit hec simulacra = Die hl. Jungfrau verachtet den Mann und die Götzenbilder«.
Dadurch hat Margarita das Verbrechen der Majestätsbeleidigung gegen den Kaiser begangen
und wird zum Tode verurteilt. Vor der Hinrichtung wird sie zuerst mit Ruten geschlagen,
gegeißelt. Zwei Henkersknechte schlagen mit Ruten auf sie ein.
Die Umschrift des 5. Bildes lautet: "Unde placet stulto domet hanc ut verber multo =
darnach fällt es den Toren ein, sie mit vielen Schlägen zu bezwingen«.
Im 6. Bild sehen wir Margarita gefesselt wie an ein Kreuz gebunden. 2 Henkersknechte
verbrennen mit Fakeln ihre Achselhöhlen. Die Umschrift: »o satis insignis quam nec
superat calor ignis = oh reichlich Ausgezeichnete, die nicht einmal die Hitze des Feuers
überwindet«. Auf diesem Bilde ist der Körper Margaritas düster dargestellt.
Das Bild 7 zeigt die Jungfrau von einem Ungeheuer mit einem Drachenkopf bedroht. Die
Umschrift: »Qui necis est causa, necat hunc in carcere clausa = ihn, der die Ursache des
Todes ist, tötet die im Kerker Eingeschlossene«. Margarita, vom Satan in ärgster
Bedrohung, betet zum Gekreuzigten, und der Hl. Geist = Taube auf dem Kreuzbalken, tröstet
und stärkt sie zum Durchhalten im Martyrium.
Dies stellt das 8. Medaillon mit der Umschrift dar. »Dona docet vite ventura volatile
mite = die künftigen Gnaden des Lebens lehrt der milde Vogel«.
Das 9. Medaillon zeigt die gleiche Darstellung wie das 6. Margarita ist gefesselt, 2
Henkersknechte verbrennen mit Fackeln die Achselhöhlen. Nur die Gestalt der Märtyrerin
ist hell, beim 6. düster dunkel. Die Umschrift: »XPI dilecta manet inberrita secta =
Christi Auserwählte bleibt unerschrocken, obgleich zerfleischt«.
Im 10. Bild sehen wir wieder Margarita mit dem Drachen. Der Drache droht nicht mit
aufgerissenem Rachen, sondern er hat ein Affengesicht und scheint bezwungen zu sein. Die
Umschrift: » Hostis adest bellasubit anxla virgo tenella = derfeind ist als wildes Tier
zugegen, die zarte Jungfrau nähert sich angsterfüllt«.
Die Drachenszene wird im 11. Bilde abgeschlossen. Margarita zerstückelt den Drachen. Die
Umschrift:"Virgo salvatur cruce dum draco particulatur = Die Jungfrau wird durch das
Kreuz gerettet, während der Drache in Stücke geschlagen wird«.
Die Medaillons 6 - 11
bilden eine Einheit. Schaut man die Bilder oberflächlich an, dann könnte man der Ansicht
sein, Propst Heinrich hat die Legende vom Drachen geglaubt, den Margarita besiegt hat.
Gerade diese Bildgruppe beweist, daß man in früheren Jahrhunderten, wenn man Heilige mit
Drachen darstellt, an die Existenz dieser Ungeheuer nicht geglaubt hat. Margarita hat ein
doppeltes Martyrium durchgestanden. Das körperliche bei der Geißelung und beim
Verbrennen mit Fackeln. Margarita hat auch ein geistiges, seelisches Martyrium erlitten.
Sie stand vor der Wahl, Frau des Statthalters zu werden, ein Leben in Reichtum und Genuß,
oder qualvoll in jungen Jahren zu sterben. Natürlich hat ihr der Satan eingegeben: Wähle
doch das Leben in Genuß!« Diese seelische Versuchung und ihre Überwindung sollte
dargestellt werden. Daher ist im Bilde 6 die Gestalt der Heiligen düster. Der Satan
bedroht sie. Verursacher des Todes ist nicht ein Drache, sondern Satan, der als geistige
Gestalt nicht dargestellt werden kann, daher sein Sinnbild ein Schreckenstier.
In der Umschrift des 10. Bildes heißt es nicht: das wilde Tier ist da, sondern der Feind
Satan ist als wildes Tier anwesend. Zuerst wird der Drache mit drohendem Rachen
dargestellt, der Margarita zu verschlingen droht. Im 10. Bilde hat der Drache ein
besiegtes Affengesicht. Satan wird als Affe Gottes bezeichnet. Er will, Gott alles
nachmachen, nachäffen. Er will wie Gott sein. Selbst den Gottessohn hat er versucht und
ihm die ganze Welt angeboten, wenn er niederfällt und ihn anbetet. Im Mittelalter konnte
die Mehrheit des Volkes nicht lesen und schreiben. Darum hat man die Heilsgeschichte und
das Leben der Heiligen in Bildern dargestellt. Biblia Pauperum = Bibel der Armen. Mit dem
Engelsturz hat die Sünde begonnen. Die Engel sind reine Geister, sie haben keinen
Körper. Darum mußte man ihnen eine Gestalt als Symbol geben. Der Erzengel Michael wird
als kräftiger junger Mann dargestellt. Für Satan nahm man die Gestalt eines drohenden
Ungeheuers oder einer Schlange als Ausdruck der Verlogenheit. Das Volk hat vielfach diese
Symbolik nicht verstanden und nahm die Bilder als reale Begebenheit. So hat sich die
Legende bei einigen Heiligen gebildet, sie hätten mit dem Drachen gekämpft und den
Drachen besiegt. Man hat nicht verstanden, daß diese Heiligen neben dem körperlichen
Martyrium auch ein seelisches Martyrium erlitten haben.
Im 11. Bilde heben zwei Männer Margarita, deren Hände vor der Brust gefesselt sind, hoch
und stürzen sie mit dem Kopf nach unten in einen Bottich mit siedendem Wasser. Die
Umschrift:" Ut neget hec Christum fer-vorem sustinet istum = damit sie Christus
verleugne, bereitet er (Olibris) diese Hitze«.
Nachdem alle Arten der Gerichtstortur versagt haben, gibt Olibris, der seitlich auf dem
Richterstuhle sitzt, einem Henkersknecht den Auftrag Margarita zu enthaupten. Diese Szene
zeigt das 13. Bild mit der Umschrift: »Caput inclinat isti nece dat vitan victima Christi
= sie neigt das Haupt im Tode und gibt das Leben als Opfer Christi.«
Im 14 Medaillon wird der Sieg Margaritas dargestellt. Im Mittelalter hat man die Seele als
kleines Kind dargestellt. Wir sehen, wie die Seele der Jungfrau als kleines Kind
dargestellt, von zwei Engeln zum Himmel getragen wird. Die Umschrift: »Cope san sanctorum
jam transit ad alta polorum = Gefäß der Heiligkeit, schon geht sie hinüber zu den
Höhen des Himmels«. Die Umschrift ist in einem Latein abgefaßt, wie es im 13.
jahrhundert üblich war. Cicero würde sich entsetzen. Bei der Übersetzung wurde auf eine
möglichst wortgetreue und nicht auf eine schöne Sprache geachtet.
Zum 900-jährigen Jubiläum 1949 wurde das Fenster wieder von den schätzenden Mauern
befreit und der Abschluß im obersten Rundbogen sinnvoll ergänzt. Ein Medaillon als
Wappen. Oben in der Mitte eine Krone, rechts und links Hirtenstab und Infel. Der Kaiser
hat eine kirchliche Stiftung gemacht. Auf der linken Seite des Bildes Margarita in dunkler
Kleidung mit Kreuz, unter dem sich eine Schlange windet. Rechts Wellen (Donau) und ein
Wolf.
Die Umschrift: »Patronus ITA decoravit ex voto S.Margarita MCMXLIX Septembris IV = Patron
Ita hat zum Gedächtnis der hl. Margarita das Fenster geschmeckt. 1949 am 4. September«.