Ist das Volkslied vom Aussterben bedroht?

Offenes Singen in der Stiftstaverne

Schon die alten Römer und Griechen schmückten die Sprache mit melodischer Verzierung aus. Der gefühlsmäßige Ausdruck wurde dabei betont und hervorgehoben. Unter Papst Gregor I. (590 - 604) entstanden die ersten Sängerschulen.

Grundsätzlich können wir zwischen Volks- und Kunstlied unterscheiden. Das Kunstlied erreichte schon um die Wende des 17. Jahrhunderts hohe Virtuosität. Uns interessiert aber mehr die Volksmusik und das Volkslied.

Volksmusik ist eine populäre, überwiegend schriftlos überlieferte Musik, die für bestimmte Regional- oder Nationalkulturen charakteristisch ist. An Instrumenten wurden verschiedene Flöten, Dudelsack, Drehleier, Hackbrett, Zither, Harfe, Geige, Klarinette, Oboe, verschiedenste Gitarreninstrumente und diverse Schlaginstrumente verwendet.

Der Terminus (Fachausdruck) Volkslied wurde 1773 von J.G.Herder eingeführt. Es wird unterteilt aus seiner Entstehung, seiner Thematik u.dgl. unter anderem in: geistliche Volksmusik, Kinderlieder, Liebeslieder, Heimatlieder, Soldatenlieder und Hirtenlieder. Die Arbeiterlieder sind erst um 1920-30 entstanden.

Aus Erzählungen und zum Teil aus eigener Erfahrung weiß ich, daß früher fast bei jeder Gelegenheit gesungen wurde. So zum Beispiel im Winter beim Spinnen, fast jeden Abend vor dem Schlafengehen, bei Hochzeiten, beim Fensterlngehen, bei diversen Festen und Feiern, beim Pilotenschlagen, nach schweren gemeinsamen Arbeiten wie Dreschen oder Stadlbauen, wo öfter auch getanzt und gespielt wurde. Man war sich durchaus bewußt, daß die harte Arbeit nur gemeinsam geschafft werden konnte. So tröstete auch manch Lied über die Monotonie der Arbeit hinweg. Am Abend, nach getaner Arbeit, saß man oft noch zusammen und sang so manches Lied in Harmonie. Die Gemeinschaft wurde gepflegt. Man war ja aufeinander angewiesen. In der Geselligkeit konnte man den schweren Alltag leicht vergessen. Es wurde Spaß gemacht, gespielt, gelacht, getanzt, geflirtet. Dazwischen wurde so mancher Schwank erzählt, manchmal auch etwas übertrieben. Wenn sich einer zuviel hervortat, wurde er oft beim nächsten Spiel dafür bestraft, indem man ihn z.B. mit verbundenen Augen in ein Wasserschaff tappen ließ oder ihn mit Ruß beschmierte und dergleichen. Natürlich wurden damals die Lieder aus dem Gedächtnis gesungen. Man lernte sie ja als Kind schon beim Zuhören. Das war ein gutes Gehirntraining. Man plauderte über dies und das, tauschte Neuigkeiten aus, politisierte, beredete Probleme und sammelte dabei Kraft für den nächsten Tag.

Im Liedgut gab es eigentlich kein Thema, welches nicht besungen wurde. Von den Vergnügungen im Jahreslauf, vom Schi- oder Rodelfahren, über das Bergsteigen, die blühende Natur, die schöne Müllerin, den Jäger und den Wilderer, bis hin zum Tod wurde alles besungen. Auch dem armen Schneider seine einzige Geiß wurde oft spöttisch, vielleicht auch mitleidig erwähnt. Übrigens wurden über nahezu jeden Berufsstand einige Zeilen komponiert.

Heute darf man sich wohl manchmal fragen, ob wirklich Dallas, die Schwarzwaldklinik, das Traumschiff und ähnliche TV-Produkte mit solch einer gemütlichen Runde von damals gleichzusetzen sind. Durch die ständige Berieselung haben wir es teilweise schon verlernt uns selbst gemütlich zu unterhalten. Sollten wir einmal in die Verlegenheit kommen, frei ein Lied zu singen, scheitert es meistens am Text, wenn nicht in der ersten, so zumindest in der zweiten Strophe.

Zusammen Singen, zusammen Hören, Blickkontakt, Harmonie, Freunde, lieblich, ungezwungen, das sind einige Stichwörter, die mir spontan bei der Vorbereitung zu diesem Thema einfielen.

Abschließend möchte ich alle dazu einladen, bei Gelegenheit wieder einmal ein Liedchen zu singen, sei es zu Hause in der Familie, bei oder mit Freunden oder bei unserem offenen Singen in der Stiftstaverne.Es sind wirklich ALLE, Jung und Alt, guter Sänger und auch Zuhörer recht herzlich dazu eingeladen.

Leopold Farfeleder

zurück