DIE HEILIGE BARBARA

 

Die hl. Barbara ist eine im Volk sehr beliebte Heilige. Sie gilt als Patronin der 'Bergleute. Angerufen wird sie vor allem für die Sterbenden und als Trösterin für die Gefangene. Barbara - so glaubt das Volk - wird die Sterbenden sicher an den Thron Gottes führen. Sie wurde im Jahre 306 enthauptet. Am Fest der hl. Barbara, am 4. Dezember, stellt man seit alters Kirschzweige ins Wasser, die dann zu Weihnachten erblühen.

Sie ist eine Botin der Hoffnung in der Adventszeit. Sie möchte auch unser Leben mitten im Winter zur Blüte bringen.

Mitten in der Kälte unserer Zeit will uns Barbara daran erinnern, dass Gottes Milde und Güte unser Herz erwärmen und neues Leben in uns wecken möchten. Barbara wird meistens mit dem Turm dargestellt und mit dem Abendmahlskelch.

Manchmal ist auf dem Kelch noch die Hostie abgebildet, so wie es wohl auf dem Relief von Jörg Riemenschneider war.

Dort ist die Hostie jedoch abgebrochen. Tilman Riemenschneider verzichtet auf den Turm. Er beschränkt sich auf den Kelch, um Barbara als die priesterliche Frau darzustellen, als die Frau, die uns einweisen möchte in das Geheimnis Gottes und in das Geheimnis unseres Lebens und Sterbens.

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Die Legende der hl. Barbara ist voller Symbolik. Barbara heißt vom Wort her "Ausländerin, Fremde". Sie gehört nicht dieser Welt an, sie stammt von jenseits, von der himmlischen Welt.

Sie ist fremd in dieser Welt. Sie lässt sich nicht in die Maßstäbe dieser Welt pressen. Als Fremde ist sie zugleich die freie Frau und die unverstandene Frau. Es bleibt in ihr ein Geheimnis, das wir nicht verstehen können. Sie verweist uns auf das Geheimnis Gottes, der uns immer auch fremd und unverständlich bleiben wird. Und sie gibt uns Mut, das Fremde und Unbekannte in uns selbst anzuschauen und anzunehmen. Wir werden nur dann heilig, heil und ganz, wenn wir uns auch dem Fremden und Unbewussten in uns stellen. Auf dem Weg der Selbstwerdung werden wir immer wieder auf das in uns gestoßen, was wir nicht verstehen. Es zu integrieren, dazu lädt uns Barbara ein.

Barbara ist die Tochter eines wohlhabenden Griechen. Da die Tochter sehr schön ist, sperrt sie der Vater in einen Turm ein, damit ihr niemand schaden kann. Er möchte sie dem jungen Mann zur Frau geben, den er selbst für sie wählt.

Aber je mehr der Vater die Tochter bewahren und im Turm seiner eigenen Vorstellungen festhalten möchte, desto mehr entreißt sie sich seinem Einfluss, desto selbständiger wird sie. Als der Vater auf Reisen geht, denkt Barbara in ihrem Turm über vieles nach. In ihrem Denken ist sie frei. Da lässt sie sich vom Vater nicht bestimmen. Sie schreibt christlichen Gelehrten und lässt sie zum Gespräch kommen. Gerade das, was der Vater verhindern wollte geschieht. Sie bekehrt sich zum Christentum. Als Zeichen dafür lässt sie in das Badezimmer, das zwei Fenster hat, noch ein drittes durchbrochen, um ihren Glauben an den dreifaltigen Gott auszudrücken, der mit ihr in ihrem Turm wohnt. Der Vater, der die Tochter einsperrt, kann nicht verhindern, dass Gott zu ihr kommt und ihren Turm öffnet, ihren engen Horizont weitet. Gott ist der, der sie befreit von der Enge des Vaters.

Als der Vater heimkommt, erkennt er an den drei Fenstern sofort, dass Barbara Christin geworden ist. Er zwingt sie, vom Glauben abzufallen. Als sie das verweigert, will er sie töten. Sie flieht ins Gebirge und verbirgt sich in einer Höhle. Höhle ist ein Bild für den mütterlichen Bereich. Sie gerät aus dem Bannkreis des Vaters in den schützenden Bereich der Mutter. Doch ein Schafhirt verrät Barbara an den Vater. Der liefert sie dem Statthalter aus. Die Wirkung des Vaters ist offensichtlich stärker als die der schützenden Mutter. Doch die Geschichte erzählt, wie Barbara sich auch dem zerstörerischen Einfluss des Vaters entzieht. Das Mädchen weigert sich, die Götter anzubeten und wird grausam gefoltert. Doch in der Nacht kommen Engel und pflegen sie wieder gesund. Sie wird nackt durch die Straßen der Stadt getrieben und mit Ruten geschlagen. Doch die Ruten verwandeln sich in Pfauenfedern, die sie bedecken. Die Aggressionen der Menschen können ihr nicht schaden. Im Gegenteil, je mehr die Henker sie schlagen, desto schöner wird sie geschmückt mit Pfauenfedern. Im Kerker besucht sie ein Engel und bringt ihr das Abendmahl als letzte Wegzehrung.

Schließlich wird sie zum Tod durch Enthaupten verurteilt. Der eigene Vater enthauptet sie. Doch kaum hat er das getan, wird er von einem Blitz erschlagen.

Die Legende ist hochaktuell. Sie zeigt, wie Barbara ganz sie selbst wird, wie sie in Freiheit ihren Weg geht. Auch wenn der Vater sie noch so sehr in seine Vorstellungswelt hineinpressen möchte, so hat er doch keine Macht über sie. In der Legende ist die Vaterproblematik sehr stark betont. Sie kommt in der Geschichte einiger Nothelfer vor. Der Vater lässt die Tochter oder den Sohn nicht den eigenen Weg gehen. Er möchte den Weg selbst bestimmen. Vor allem hält er die Tochter oder den Sohn ab, an Christus zu glauben. Er kann offensichtlich nicht vertragen, dass die eigenen Kinder sich an einen wenden, der über ihm steht. Er möchte für seine Kinder selbst so etwas wie Gott sein, unangreifbar, bestimmend und beherrschend. Der Glaube ist für Barbara der Weg, ihr ureigenstes Bild zu entdecken, das Bild, das Gott sich von ihr gemacht hat. Dieses Bild befreit sie von dem Bild, das ihr Vater ihr übergestülpt hat und in das er sie mit Gewalt pressen möchte. Es ist ein negatives Vaterbild, das diese Legende zeichnet. Zuerst erscheint der Vater als der Sorgende, der aber seine Sorge auch mit Macht und Autorität verbindet, der die Tochter nicht widersprechen darf. Zuletzt erscheint der Vater als der Tötende und Zerstörende. Aber er hat keine Macht über seine Tochter, selbst als er sie enthauptet.

Denn sie steht zum wahren Leben auf. Er kann sie nicht verletzen, denn Gott selbst sorgt für sie und schickt seine Engel, die die Wunden Barbaras heilen und ihre Schönheit immer wieder von neuem aufstrahlen lassen. Die beiden Nöte, in denen Barbara als Nothelferin angerufen wird, das Sterben und die Gefangenschaft, haben beide mit der Vaterproblematik zu tun.

Der Vater ist der, der die Tochter gefangen hält und der sie nicht loslässt. Dieser Welt des Vaters zu sterben ist der Weg zu wahrer Freiheit.

Barbara wird mit einem Turm dargestellt und mit dem Abendmahlskelch, manchmal auch mit Krone, Palme, Buch und Schwert. Der Turm ist ein Bild menschlicher Selbstwerdung. Der Turm symbolisiert die festen Fundamente, auf die unser Leben gestellt ist. Wir gründen in der Erde, im Erdhaften, Vitalen. Und unser Turm reicht bis zum Himmel, bis in den göttlichen Bereich hinein. Himmel und Erde gehören zu unserem Leben. Der Turm ist rund, ein Bild für Ganzheit. Und der Turm hat drei Fenster, ein Bild für den dreifaltigen Gott, der mit uns und in uns wohnt. So ist der Turm der hl. Barbara ein Bild für die Kontemplation. Kontemplari heißt ja, zusammen im Tempel wohnen. Gott wohnt mit uns zusammen im Turm unseres Lebens. Und er macht unsern Turm weit und offen. Er verbindet uns mit der ganzen Welt, die wir von oben her in ihrer eigentlichen Wahrheit erkennen. Der Abendmahlskelch, mit dem Barbara auch dargestellt wird, erinnert an den Kelch, den ihr der Engel gereicht hat. Der Kelch ist ein altes weibliches Symbol. Die Frau ist die nährende Mutter. Goldblonde Jungfrauen in den keltischen Sagen reichen den Helden einen stärkenden Zaubertrank aus einem goldenen Kelch, damit sie sicher weiterziehen können. Barbara mit dem Kelch erinnert auch an die Gralshüterin, die den Kelch des Abendmahles in ihren Händen hält.

Barbara ist so ein personifizierter Aspekt der göttlichen Mutter. Barbara wird mit grünen Gewändern dargestellt. Grün ist die Farbe der göttlichen Schöpferkraft. Und grün ist die Farbe der Versöhnung und der ewigen Barmherzigkeit. Sie symbolisiert die Wiedererneuerung allen Lebens. Daher werden die Barbarazweige an ihrem Fest ins Wasser gestellt. Hier wurde ein ursprünglich heidnischer Brauch christianisiert. Man schnitt Zweige, damit sie bis zur Wintersonnenwende blühen. Für die Christen wurde das zum Bild dafür, dass in uns die Frucht Christi erblühen wird, wenn wir wie Barbara in der Stille des Advents nach innen schauen und dort nach dem Licht suchen, das unser Leben erleuchtet. Barbara ist die Verheißung Gottes an uns, dass er auch unsere Unfruchtbarkeit verwandeln und dass seine schöpferische Kraft auch in uns fließen wird, so dass wir in unserer ursprünglichen Schönheit aufblühen werden.

Barbara ist die Patronin der Sterbenden. Sie nimmt uns die Angst vor dem Sterben. Ihre Legende zeigt uns, dass wir keine Angst zu haben brauchen vor den Schmerzen des Todes, weil auch zu uns Engel kommen werden, die unsere Wunden verwandeln und heilen. Auch wenn ihr eigenes Sterben grausam war, so blieb sie doch innerlich souverän und bis zuletzt die schöne und unbesiegbare Frau. Sie zeigt uns, dass wir im Tod in die mütterlichen Arme Gottes sterben werden und nicht in die Kälte eines fremden Kerkers. Barbara, die schöne Frau, die nährende Frau, die lebendige und schöpferische Frau, zeigt uns das mütterliche Antlitz Gottes, der neues Leben in uns hervorbringt, wenn das irdische Leben zu Ende geht. Und Barbara zeigt uns, dass der Tod eine Neugeburt ist, dass wir aus dem Mutterschoß Gottes zum wahren, zum ewigen Leben geboren werden. Barbara, die uns im Sterben den Kelch des Abendmahles reicht, ist die priesterliche Frau. Sie vermittelt uns den zärtlichen Gott. Und sie zeigt uns auch, dass Eucharistie immer Ausdruck der zärtlichen Liebe Christi ist, der in unsern Kerker eintritt, um uns mit seiner Liebe zu erfüllen. Die Künstler, die Barbara mit dem Abendmahlskelch und Hostie darstellen, beantworten die Frage, ob Frauen Priesterinnen werden können, längst vor der Diskussion unserer Tage. Für sie ist Barbara eine Priesterin. Priesterin, das bedeutet, dass sie Irdisches in Göttliches verwandelt, dass sie die göttlichen Spuren in unserem Leben aufdeckt, dass sie das Menschliche durchsichtig macht auf Gottes Liebe hin. Priesterin, das meint, dass sie eingeweiht ist in tiefe Geheimnisse, in die Mysterien Gottes, und dass sie auch uns einweihen kann in das uns Unbekannte und Fremde, in das Geheimnis Gottes, durch den unser Leben erst fruchtbar wird. Barbara ist Priesterin, weil sie auf ihrem inneren Weg, auf dem Weg der Kontemplation und auf dem Weg der Passion, selbst verwandelt worden ist. So kann sie nun auch die Angst der Sterbenden in Vertrauen verwandeln den Tod in eine Geburt neuen Lebens die Dunkelheit in Licht, die Kälte in Wärme und die Fremde in Heimat.

Barbara vermittelt Sterbenden das Heil. Sie bringt ihnen Christus und sie begleitet sie auf ihrem Weg durch die Dunkelheit und Fremde des Todes. Für solch einen Dienst - so glaubt die Volksfrömmigkeit - eignet sich eine Frau besser als ein Mann. Denn die Frau, die ein Gespür für die Geburt eines Kindes hat, ist auch näher am Geheimnis der Neugeburt, die im Tod geschieht. Die mütterliche Frau nimmt dem Tod das Grausame. Sie vermittelt uns, dass wir im Tod in die mütterlichen Arme des liebenden Gottes fallen werden.

Barbara wird als Trösterin der Gefangenen verehrt und angerufen. Ihre Legende zeigt, wie der Vater sie gefangen hält. Viele Menschen fühlen sich heute in ähnlicher Weise gefangen. Sie sind gefangen von den Erwartungen ihrer Umwelt und trauen sich nicht, daraus auszubrechen. Sie sind gefangen in sich selbst. Sie können nicht aus sich heraus. Sie fühlen sich gefangen in ihrer Angst. Sie haben Angst, ihren sicheren Turm zu verlassen. Sie hätten dann keinen Schutz und würden sich bloßgestellt fühlen, ausgesetzt, verletzlich. So vergraben sie sich in ihrem Turm und verschließen alle Fenster nach außen. Oder sie sind gefangen in ihrer Sucht, gegen die sie nicht ankommen, oder in Lebensmustern, die sie nicht abzulegen vermögen. Sie sind gefangen in ihren Gewohnheiten und in ihrem Denkschema. Es bewegt sich nichts mehr in ihnen.

Sie bleiben in ihrem inneren Gefängnis und erstarren darin. Barbara ist die Verheißung, dass Gott auch uns in unserem Gefängnis besucht, dass er die Enge unseres Gefängnisses aufbricht und uns mitten in unserem Gefangensein innere wie äußere Freiheit schenkt. Wenn wir Gott in uns einlassen, dann kann uns kein Gefängnis mehr halten, dann sind zumindest drei Fenster darin, die uns die Beziehung nach außen ermöglichen. Und wir sind auch mitten in äußerer Gefangenschaft innerlich frei.

Quelle: Anselm Grün
Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie
VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH
ISBN 3-87868-596-3


Inhalt

hl. 14 Nothelfer

Stift Ardagger